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Riesige Fotos und ganz viel Ich: Von der Ego- zur Wir-Bewerbung

Veröffentlicht: 25. April 2014Kategorien: Mindset und Entwicklung

Manchmal sehe ich riesige Fotos auf Deckblättern, aufs Feinste retuschiert. Oder Websites, auf denen einem die Betreiber geradezu entgegenspringen. Da schiebt sich eine Person visuell und auch sonst in den Vordergrund. Inszeniert sich, als wäre er/sie ein Star!  Will ich so jemand für die Buchhaltung? Als Redakteur? Im Vertrieb?

 

MS Office

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Nun lese ich gerade Adam Grants „Geben und Nehmen“ und da dreht sich ein Kapitel genau um diese Dinge, allerdings nicht mit dem Fokus Bewerbung, sondern auf die Darstellung in Netzwerken und Geschäftsberichten. Das Prinzip mag ähnlich sein. Grant schreibt, dass es Studien gäbe, die belegen, dass die so genannten „Nehmer“ nicht nur gern große und selbstgefällige Fotos, sondern auch überproportional häufig das Wort „ich“ verwenden.  Nehmer sind in Grants Buch die Antihelden. Es sind Menschen, die mit Halo-Effekt andere um den Finger wickeln, nach oben schleimen und nach unten treten. Menschen, die meist sehr weit kommen, aber auf ihrem Weg der Ausbeuterei viel Glas zertrampeln und … dann… machen sie sich nach und nach unbeliebt. Es sind langfristig gesehen Looser, da sie Unternehmen kaputt machen. Anders als die Geber, das sind Grants Helden. Jene, die altruistisch denken und im Gedenken an „wir“ handeln. Zur Rezension später.

Heute geht es darum: Große Fotos, das Wörtchen „ich“. Ich denke an all die Bewerbungsratgeber, die einen zur egozentrischen und verschwenderischen Verwendung von „ich“ auffordern, Stichwort „I doubled income“. Solche Ratgeber entspringen amerikanisch-individualistischer Denkweise, geprägt von niedriger Machtdistanz. Heißt: Bevorzugt wird der Ich-Darsteller, der Erfolgsorientierte, der seine eigene Leistung ins rechte Licht stellt. Folgt man manchen Musterbewerbungen, muss jeder ein selbstherrlicher Narzisst sein, der aus einem Holztisch ein Designermöbel macht.

„So will ich nicht rüberkommen“, sagte mir ein Geschäftsführer beim Blick auf eines dieser Muster, in denen jemand im Grunde alles verdoppelt, neu eingeführt und rundum erneuert hat. Verstehe ich, sage ich, finde diese Typen auch unsympathisch. Nur punktet man damit schon. Auf jeden Fall bei Nehmern, aber auch bei allen, die das System nicht durchschauen oder erst im Nachhinein über diese Dinge nachdenken – nachdem normal menschliche psychologische Effekte wirksam wurden. Und das sind nun mal die meisten. Wir wollen nun mal den attraktiven, selbstbewussten Leader, der lauter werbewirksame Botschaften sendet und uns das Denken abnimmt…. Also, zumindest auf Positionen, die etwas höher sind. Eher nicht Buchhaltung. Aber durchaus in der Geschäftsführung.

Ja, ich empfehle kosmetische Maßnahmen, die bisweilen auch der Erhöhung dienen. Es ist nützlicher, etwas schöner zu sein als man ist. Meine eigenen Fotos sind auch retuschiert. Ich mag mich darauf nicht, aber ich weiß: watt mutt datt mutt. Was Fotos betrifft. Übertreiben ist aber auch gefährlich. Und retuschiert ist nicht gleich retuschiert. Und: Grant fand unter den Nehmern (gemeinhin: den Bösen) besonders viele mit selbstgefälligem Lächeln. Das ist ja dann schon entlarvend.

Ich selbst differenziere. Man kommt mit der Ich-bin-der-Schönste- und Beste-Methode nämlich nicht überall an, sondern vornehmlich in machtdominierten Unternehmenskulturen (Spiral Dynamics rot) oder Performance-Firmen (orange). Wir-Unternehmen finden jemand, der alles verdoppelt hat, ziemlich befremdlich. Konservative Wir-Unternehmen (Spiral Dynamics blau) mögen das ganze Ich-Gedudel nicht. Wenn Sie zu einem Bewerbungsberater oder Bewerbungscoach gehen, achten Sie darauf, dass es jemand ist, der solche Unterschiede erkennt.

Nun zu den Tipps – ich weiß, Sie wollen es konkret und auf den Punkt:

  • Wir alle fallen auf Fotos rein, deshalb müssen sie sein. Aber wie groß und schick sie sind, bitte zielgruppenspezifisch anpassen. Im Zweifel etwas kleiner. Und echtes Lächeln, man erkennt die falschen.
  • Die Ich-Kulturen werden gerade heftig vom Wir durchmischt. Asiaten finden zu viel „Ich“ gar nicht toll. Im Zweifel ist das „wir“ eine prima Alternative zum „man“. In Startups bitte nach Möglichkeit maximalen Wir-Anteil dosieren. Bei allen anderen Unternehmen liegt wir im Trend: Für ein ausgewogenes Verhältnis sorgen. Beispiel: „Zusammen in einem Team mit drei Entwicklern Neukonzeption des Backends“.
  • Wenn Sie selbst etwas narzisstisch sind (nichts schlimmes), mildern Sie Ihre Bewerbungsunterlagen ab, denn sie werden dazu neigen sich zu viel auf die eigenen Fahnen zu schreiben. Zählen Sie Ihre Unterlagen jetzt mal  auf der Suche nach „ich“ durch. Sind mehr als sieben „ichs“ im Anschreiben, überarbeiten. Aber bitte auch keine „man“ lassen… sondern ein paar Wir-Sätze konzipieren.
  • Wenn Sie selbst überhaupt nicht narzisstisch sind (auch nicht schlimm), legen Sie etwas drauf.  Watt mutt datt mutt. Zählen auch Sie die „ichs“. Wenn es weniger als zwei sind, fügen Sie zwei bis drei dazu.

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Über Svenja Hofert

Svenja Hofert verbindet unterschiedliche Welten und Positionen. Dabei entwickelt sie neue und eigene Blickwinkel auf Themen rund um Wirtschaft, Arbeitswelt und Psychologie. Sie ist vielfache Buchautorin und schreibt hier unregelmäßig seit 2006. In erster Linie ist sie Ausbilderin und Geschäftsführerin ihrer Teamworks GTQ GmbH. Interessieren Sie sich für Ausbildungen in Teamentwicklung, Agilem Coaching und Organisationsgestaltung besuchen Sie Teamworks. Möchten Sie Svenja Hofert als Keynote Sprecherin gewinnen, geht es hier zur Buchung.

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