Kategorien

5 Ansätze, wie Sie Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung wirklich voranbringen

Veröffentlicht: 4. August 2016Kategorien: Psychologie

Denken Sie einmal an wirklich große Entwicklungssprünge in Ihrem Leben. Was hat Sie persönlich vorangebracht? Höchstwahrscheinlich haben diese Sprünge mit Veränderungen zu tun. Und sicher waren diese Veränderungen anfangs weder erwünscht noch angenehm. Aber heute! Heute sind Sie höchstwahrscheinlich dankbar für den Rauswurf, Karriereknick, das Beziehungsende… Unsere Arbeitswelt war lange darauf ausgerichtet, die Entwicklung von Menschen auf einem bestimmten Niveau einzufrieren, indem sie wenig Veränderung forderte. Schornsteinkarrieren, lange Firmenzugehörigkeiten und soziale Absicherung waren passend in einer weitgehend stabilen Arbeitswelt. Angepasste, konventionell denkende Menschen waren die logische Konsequenz und das gesellschaftlich erwünschte Ergebnis. Die neue, digitale Arbeitswelt, der globale Wettbewerb fordert dagegen einen anderen Typus, der sich in komplexeren Strukturen orientieren kann. Er soll kreativ sein, Verantwortung übernehmen und Prozesse gestalten.

Mit welchen Ansätzen entwickelt man solche Menschen als Personaler, Führungskraft oder Coach? Ich bin auf die Suche gegangen und fündig geworden:

1. Größere Blickwinkel schaffen: Fördern Sie Zweikreis- statt Einkreislernen

Was muss ich tun, um…? Als Coach oder Führungskraft geht es Ihnen meist darum, unmittelbare Probleme zu lösen. Der Handlungsrahmen ist auf die Person selbst gerichtet, etwa darauf, Ansätze zu finden, einen Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu führen. Im Einkreislernen-Coaching (one-loop-learning) könnte über die Frage „was müssen wir tun?“ herauskommen, dass es sinnvoll wäre, mit dem Mitarbeiter Situationen zu reflektieren, in denen er sich anders – verantwortungsvoller – verhalten kann. Doch was, wenn der weitere Bezugsrahmen dem entgegensteht? Ein Scrum Master, der gleichzeitig Abteilungsleiter war, war in dieser Doppelfunktion mit unterschiedlichen Rollenerwartungen konfrontiert, die ihm Verantwortungsübernahme unmöglich machte. Der Blick auf den eigenen Handlungsrahmen machte nur diesen Widerspruch sichtbar, eine Lösung ergab sich erst durch die Erweiterung der Analyse auf den zweiten Kreis – der die Frage offenlegte, warum fördert und akzeptiert das Unternehmen eine solche Situation? Welche Werte stehen dahinter? Oder auch: welche Wertekonflikte?

einkreiszweikreislernenErweitern Sie den Bezugsrahmen der Handlungen Ihrer Mitarbeiter oder Coaching-Klienten durch Eröffnen eines zweiten Kreises von einem single-loop- zu einem double-loop-Learning (Chris Argyris). Ergründen Sie die Frage „warum will die Organisation das?“, schaffen Sie die Voraussetzungen für tieferes Verstehen von Zusammenhängen und damit tieferes Lernen. Am Beispiel Verantwortungsübernahme würde durch die Einbeziehung des zweiten Kreises der analytische Rahmen erweitert und damit sichtbar, dass es keine zur persönlichen Reife der Mitarbeiter passenden Voraussetzungen gibt und diese erst geschaffen werden müssen.

Tipp: Achten Sie in Ihrer Arbeit auf Ein- und Zweikreislernen. Wann lässt sich ein zweiter Kreis eröffnen und wie verändert sich dadurch der Blickwinkel – und die Lösung?

2. Entwickeln heißt fordern: Lenken Sie den Blick auf Learnings, nicht auf Glücksgefühle

Viele Menschen suchen berufliche Umgebungen, die sie zufrieden machen, weil sie “passen”. Oft sind das Umgebungen, in denen sie sich wenig entwickeln müssen. Ähnliche Interessen, gleichwertige Erfahrungen: Das schweißt zusammen, ermöglicht vertikales Lernen, verhindert aber auch horizontale Entwicklung, also einen Reifeprozess im Sinne die Identitätsentwicklung nach Loevinger. Dass mit einer höheren Ich-Entwicklungsstufe auch das individuelle Glücksniveau steigt, spricht weiterhin dafür, Entwicklung zu fördern (hier mehr zur Ich-Entwicklung nach Loevinger).

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Menschen sich in einer Umgebung wohler fühlen, in denen Sie nicht über eigene Grenzen hinaus müssen. Viele berufliche Neuorientierungen sind in Wahrheit Fluchten – es geht oft darum, sich persönlicher Entwicklung und/oder Kritik durch andere NICHT zu stellen. Hier hilft der Blick auf die Ich-Entwicklungsstufe sich selbst zu ergründen.

Wer im Coaching nur die Frage stellt „wann waren Sie zufrieden?/konnten Ihre Stärken einsetzen?/fühlten sich wohl?“ fokussiert auf Wohlbefinden. Das sind typische Fragen im Berufungs-Coaching. Wer hingegen fragt, wann haben Sie etwas erkannt, neu gedeutet oder gelernt, begibt sich auf die Ebene der Entwicklung. Er/sie betreibt eher ein Entwicklungs-Coaching. Welchen Fokus ich setze, ist gerade im beruflichen Coaching eine entscheidende Frage.

Tipp: Prüfen Sie Ihre eigene Überzeugung. Denken Sie, dass es eine Berufung gibt? Oder sind Sie ein Prozessdenker und damit Entwicklungsförderer? Gerade für Coachs im beruflichen Kontext ist das aus meiner Sicht eine zentrale Frage, die sich jeder stellen sollte.

3. Neue Erkenntnisse suchen statt Bestätigung: Fördern Sie Akkomodation, nicht Assimilation

Einige Unternehmen sind sehr gut darin, Menschen auszubilden. Die Weiterbildungsprogramme lassen keine Wünsche offen. Aber sie waren und sind meist auf Verhaltenstraining ausgerichtet. Das bedeutet, sie fördern eine horizontale Erweiterung des Wissens, aber kein neues Denken. Sie können Menschen beibringen, effektiv zu verhandeln oder Konflikte produktiv zu lösen, ohne dass sich ihr Blick auf Verhandlungen oder Konflikte wesentlich ändert. Die Perspektiven und Sichtweisen bleiben gleich, ein Konflikt wird weiter als unangenehme Meinungsverschiedenheit betrachtet. Hier ist die Unterscheidung zwischen Akkomodation und Assimilation hilfreich, die auf Jean Piaget zurückgeht. Durch Assimilation gliedert ein Mensch neues Wissen in sein vorhandenes kognitives Schema ein. Bei der Akkomodation wird das vorhandene Schema verändert, der Blickwinkel also erweitert.

Den Unterschied zwischen Akkomodation und Assimilation können Sie sich etwa beim Lernen agiler Methoden vor Augen führen. Mitarbeiter können lernen, Feedback zu geben, aber weiter überzeugt sein, dass das in Wahrheit nichts bringt, weil man sich besser auf die Arbeit konzentrieren sollte. Akkomodation entsteht nicht durch Training, sondern durch Erfahrungslernen sowie Reflexion.

Tipp: Fördern Sie den echten Austausch mit Andersdenkenden. Eine Methode dazu bietet die Theorie U von Claus Otto Scharmer.

4. Offenheit fördern: Holen Sie sich Impulse von außen

Warum ist Axel Springer derzeit im Bereich der Digitalisierung so viel erfolgreicher als andere Medienunternehmen? Ein Grund mag sein, dass der Verlag frühzeitig nach neuen Impulsen von außen gesucht hat, etwa durch seinen legendären Besuch im Silicon Valley. Tatsache ist, dass Menschen sich weiterentwickeln, wenn Sie offen sind für neue Erfahrungen. Dies kann man fördern, etwa indem Sie dazu anregen, die gewohnte Umgebung zu verlassen, sei es durch einen Auslandsaufenthalt oder Unternehmens- und Bereichswechsel. Je mehr Unterschiedliches jemand erlebt und für sich produktiv verarbeitet hat, desto offener ist er normalerweise.

Tipp: Fordern Sie auf, den gewohnten Rahmen zu verlassen und suchen Sie neue Umfelder zum Lernen.

5. Schluss mit Entweder-oder: Entwickeln Sie dialektisches Denken

Die meisten Menschen denken in These und Antithese, gehen also davon aus, dass es nur das eine oder das andere gibt. Das schließt die Sicht auf die eigene Persönlichkeit mit ein. Nehmen wir an, jemand sieht sich als ernsthafte Persönlichkeit, die durch neue Lebensumstände Spaß und Lebensfreude entdeckt. Nun kann man daran verzweifeln, früher zum Lachen in den Keller gegangen zu sein oder auf die vorherige Persönlichkeitseigenschaft zurückblicken und diese als ein nützliches Produkt einer früheren Lebenssituation begreifen. Man könnte auch einfach sagen: Früher war ich so, und heute so, so ist es eben. Beim dialektischen Denken liegt der Fokus auf dem Prozess und dem Anwachsen von Selbstkenntnis durch Interaktion. Das ist weitergehend, als im Hegelschen Sinn These und Antithese in einer Synthese zu integrieren. Ein dialektischer Ansatz fragt: Was lerne ich aus den bisherigem Verlauf, aus dem Prozess? Wie müssen wir unser Verhalten anpassen, um künftige Interaktionen mit dem Wissen von heute zu gestalten?

Tipp: Fordern Sie auf, zu jedem Teil sein Gegenteil zu denken und eine Fusion von beidem vorzunehmen sowie eine Prozesssicht einzunehmen. Wer alles nicht als statisch, sondern als vorläufiges Ergebnis auffasst, kann neues Wissen viel leichter integrieren.

 

Beitrag teilen:

Über Svenja Hofert

Svenja Hofert ist vielfache Bestsellerautorin, die sich im deutschsprachigen Raum über mehr als ein Vierteljahrhundert ein hohes Renommee als Vordenkerin für das Thema Zukunft von Arbeit und Führung erworben hat. Ihr Motto "Zukunft der Arbeit mit Sinn und Verstand". Dieses Blog besteht seit 2006 und wird nur noch gelegentlich gepflegt. Folgen Sie der Autorin, indem Sie Ihren kostenlosen Newsletter Weiterdenken  abonnieren. Auf  Linkedin können Sie der Autorin ebenso folgen und erhalten 14tätig die Weiterdenken Essentials.

3 Kommentare

  1. Leser 7. August 2016 at 15:14 - Antworten

    Die Grafik mit dem Einkreis- und Zweikreislernen lässt sich leider sehr schlecht lesen

  2. […] Denken Sie einmal an wirklich große Entwicklungssprünge in Ihrem Leben. Was hat Sie persönlich vorangebracht? Höchstwahrscheinlich haben diese Sprünge mit  […]

  3. TH 25. April 2018 at 12:32 - Antworten

    Super interessant! Danke fürs schreiben 😀

Einen Kommentar verfassen